In diesem Beitrag widmen wir uns der Frage, was Factor Investing ist, welche Faktoren in der Vergangenheit besonders hohe Renditen erzielten und welches die wichtigsten Vor- und Nachteile dieser Anlagestrategie sind. 

von Stefan & Toni | 10 Kommentare
publiziert am 24.10.2020

Was bedeutet Factor Investing?

Faktorbasiertes Investieren, Smart Beta Investing oder eben Factor Investing ist eine Anlagestrategie, welche sich auf Wertpapiere mit bestimmten Eigenschaften (sogenannte Faktoren) ausrichtet. Diese Faktoren haben dem Anleger in der Vergangenheit höhere Renditen beschert. Dies bestätigen zahlreiche wissenschaftliche Studien, die auf Untersuchungszeiträumen von oft mehreren Jahrzehnten basieren.

Faktorbasiertes Investieren ist also das Übergewichten von Faktorprämien in einem Portfolio gegenüber einer marktneutralen Gewichtung. Die marktneutrale Gewichtung bildet den Gesamtmarkt bzw. „alle“ Aktien nach ihrer Marktkapitalisierung ab. Sie ist der Klassiker oder die Urform aller passiven Anlagestrategien.

Wann handelt es sich um eine Faktorprämie?

Der Finanzbuchautor Larry Swedroe und andere Experten haben folgende sieben Kriterien identifiziert:

  1. Bestätigung von mindestens einigen Duzend voneinander unabhängigen Wissenschaftlern
  2. Hohe Beständigkeit, also über mehrere Jahrzehnte (je gleichmässiger verteilt die Faktorprämie desto überzeugender)
  3. Globale Nachweisbarkeit, d.h. nicht auf bestimmte Länder oder Branchen fokussiert
  4. Eindeutiges Filterkriterium, d.h. keine Anpassungen in der Definition der Faktorprämie
  5. Kosteneffiziente Ausbeutung der Faktorprämie, d.h. auch nach Kosten sollte eine Faktorprämie resultieren
  6. Nachvollziehbarkeit, d.h. es liegt eine sachlogisch einleuchtende Erklärung zugrunde
  7. Einmaligkeit der Faktorprämie, d.h. keine blosse Variation einer bereits existierenden Faktorprämie

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Gerd Kommer erwähnt in seinem lesenswerten ETF-Standardwerk „Souverän Investieren mit Indexfonds und ETFs“ zudem folgende Eigenschaften von Faktorprämien:

Die wichtigsten Faktorprämien bei Aktien

Nachfolgend werden die wissenschaftlich am besten belegten fünf Faktorprämien der Anlageklasse „Aktien“ vorgestellt. Zur Veranschaulichung wird jeweils auf den entsprechenden  Faktor spezifischen MSCI Index referenziert und die Kursentwicklung der letzten 15 Jahre einem marktneutraleren Index, meist dem MSCI World, als Benchmark gegenübergestellt. Auf die wissenschaftlich bestätigten Überrenditen der einzelnen Faktoren wird in Kapitel 4 eingegangen.

Small-Size-Prämie

Der Small-Size-Effekt besagt, dass kleine Aktiengesellschaften (Nebenwerte) statistisch höhere Renditen haben als grosse. Als Berechnungsbasis dient jeweils die Marktkapitalisierung bzw. der Börsenwert einer Unternehmung. Der Index-Hersteller MSCI definiert die Grössenverhältnisse wie folgt: Die grössten Firmen, die 70% der Marktkapitalisierung einer Index-Region ausmachen, gehören zu den Large Caps. Die nächsten 15% sind Mid Caps. Für weitere 14% folgen die Small Caps, während sich die verbleibenden 1% auf Micro Caps verteilen. Der Median-Börsenwert eines Small Caps gemäss Index „MSCI World Small Cap“ betrug im August 2020 immerhin rund 853 Mio. USD.

Mit anderen Worten: Nur wer mehr als 14% Small Caps in seinem Portfolio hat, kann von einem faktorbasierten Investment sprechen. Denn 14% entspricht der marktneutralen Gewichtung.

Grösste Position im „MSCI World Small Cap Index“ per 31.8.2020: Horizon Therapeutics

Abbildung 1: Index-Vergleich zwischen MSCI World Small Cap und MSCI World von 2005 bis 2020 (Quelle: MSCI).

Value-Prämie

Value-Aktien im wissenschaftlichen Kontext (und nicht Stock-Picking à la Warren Buffett) weisen relativ zu ihren Fundamentaldaten einen besonders niedrigen Aktienkurs auf. Diese Unterbewertung wird üblicherweise anhand des Kurs-Buchwert-Verhältnisses (KBV), des Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV), der Dividendenrendite und des freien Cashflows ermittelt.

Grösste Position im „MSCI World Value“ per 31.8.2020: Johnson & Johnson

Abbildung 2: Index-Vergleich zwischen MSCI World Value und MSCI World von 2005 bis 2020 (Quelle: MSCI).

Momentum-Prämie

Aktien, die sich in der Vergangenheit besser als der Markt entwickelt haben, weisen auch für die nahe Zukunft höhere Renditen auf. So lautet vereinfacht ausgedrückt die grundlegende Überlegung hinter der Momentum-Prämie. Sie basiert also auf relativen Renditen und umfasst gemäss „MSCI World Momentum Index“ Aktien, die sich in den letzten 6 und 12 Monaten durch überdurchschnittliche Performance auszeichneten.

Grösste Position im „MSCI World Momentum“ per 31.8.2020: Apple

MSCI World Momentum Factor Investing
Abbildung 3: Index-Vergleich zwischen MSCI World Momentum und MSCI World von 2005 bis 2020 (Quelle: MSCI).

Quality-Prämie

Qualitätsaktien weisen eine niedrige Verschuldung, stabile Erträge, kontinuierliches Vermögenswachstum und eine starke Corporate Governance auf. Es handelt sich also um qualitativ hochwertige Aktien anhand gängiger Finanzkennzahlen wie Eigenkapitalrendite (ROE; Return-on-Equity), Verschuldungsgrad (D/E; Dept to Equity) und Gewinnvariabilität.

Grösste Position im „MSCI World Quality“ per 31.8.2020: Apple (schon wieder)

MSCI World Qualty Factor Investing
Abbildung 4: Index-Vergleich zwischen MSCI World Quality und MSCI World von 2005 bis 2020 (Quelle: MSCI).

Political-Risk-Prämie

Diese Faktorprämie bezieht sich auf Aktien aus den Emerging Markets bzw. Schwellenländern. Sie erklärt sich im Wesentlichen mit einer Entschädigung für ein höheres Risiko, welches u.a. infolge politischer Instabilitäten, Korruption oder einem mangelhaften Rechtssystem bzw. fehlender Gewaltentrennung resultiert.

Grösste Position im „MSCI Emerging Markets“ per 31.8.2020: Alibaba

MSCI Emerging Markets
Abbildung 5: Index-Vergleich zwischen MSCI Emerging Markets und MSCI World von 2005 bis 2020 (Quelle: MSCI).

Wie performen die fünf Faktoren?

Der einzige, aber gewichtige Vorteil von Factor Investing ist die Überrendite. Dies trifft – (sehr) langfristig betrachtet und in unterschiedlichem Masse – auch auf unsere oben beschriebenen fünf Faktoren zu. Die untenstehende Tabelle zeigt die Überrendite je Faktor und während unterschiedlichen Zeitspannen.

Abbildung 6: Wissenschaftlich bestätigte Überrenditen bei fünf Faktoren; alle Daten vor Steuern und Kosten (Quelle: Gerd Kommer, Fachartikel „Factor Investing – die Basics“ vom 3. Mai 2019).

Bei Abbildung 6 fallen folgende interessante Aspekte auf:

Welche Nachteile gibt es beim Factor Investing?

Doch bevor du dich für Factor Investing entscheidest, solltest du auch über die wichtigsten Nachteile Bescheid wissen.

Alle fünf oben aufgeführten Faktoren haben folgende Nachteile:

Zusätzlich schlagen beim Value-Faktor noch folgende Aspekte negativ zu Buche

Fazit

Unsere Schlussfolgerungen fassen wir in folgende fünf Punkte zusammen:

  1. Faktor Investing kann langfristig zu einer Überrendite führen und ist grundsätzlich prüfenswert, jedoch kein Muss.
  2. Eine einfachere und günstigere Alternative zum Factor Investing ist und bleibt ein Investment in den Gesamtmarkt.
  3. Die Faktoren Small-Size, Political-Risk, Momentum und Quality ziehen wir der Value-Strategie vor. Gemäss Video unten von Gerd Kommer Invest soll „Value“ zwar noch nicht tot sein, ja möglicherweise steht gar ein Comeback bevor. Aus steuerlichen Gründen (für CH-Anleger) ist sie für uns dennoch kein Thema. Zudem ist uns die Durststrecke bezüglich ausbleibender Überrendite dann doch etwas zu lang.
  4. Das Angebot an Faktor-ETFs ist relativ gering und die Preise sind höher als bei „normalen“ ETFs. Als Anleger solltest du diese Aspekte berücksichtigen.
  5. Die Überrenditen für die fünf untersuchten Faktoren sind wissenschaftlich mittels zahlreicher Studien und über lange Zeiträume zwar bestätigt worden. Doch besteht keinerlei Garantie, dass dies auch für die Zukunft gilt. Auf alle Fälle musst du dich beim Factor Investing auf lange Durststrecken einstellen.

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Informatives Video zum Thema „Factor Investing“ von Gerd Kommer Invest:

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