Hebel-ETFs: Traumrenditen von über 100% oder spekulative Wette mit Totalverlustrisiko?

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Hebel-ETFs

Im letzten Artikel haben wir uns mit Lombardkrediten auseinandergesetzt. In diesem Beitrag beleuchten wir sogenannte Hebel-ETFs, eine weitere Möglichkeit, wie du dein Portfolio renditeträchtiger ausrichten kannst. Du erfährst, wie diese Nischen-ETFs funktionieren, welche Risiken du besonders im Blick haben solltest und wann die Chancen am besten stehen, Traumrenditen zu erzielen.     

Kurz & bündig

  • Hebel-ETFs, auch Leveraged-ETFs genannt, richten sich primär an renditeorientierte und nervenstarke Anleger:innen, die mittel- bis langfristig von steigenden Aktienkursen ausgehen.
  • Auf täglicher Basis werden bei einem Hebel-ETF Kursgewinne und -verluste mit einem bestimmten Faktor (z.B. 2x) multipliziert.
  • Dies führt dazu, dass Hebel-ETFs massiv stärker schwanken als klassische ETFs.
  • Das heisst, steigt beispielsweise der SMI oder MSCI World an einem Tag um 2%, so verdoppelt sich bei einem entsprechenden Hebel-ETF (2x) die Kurssteigerung auf 4%. Kursverluste werden ebenso multipliziert.
  • Zum Worst Case Szenario bzw. Totalverlust käme es bei einem solchen ETF dann, wenn eine Tageskorrektur von -50% und mehr eintreten würde, was nicht ausgeschlossen werden kann, wir aber als äusserst unwahrscheinlich erachten.
  • Das Angebot an Hebel-ETFs an europäischen Börsen ist immer noch überschaubar. Die Preise (TER) belaufen sich aktuell auf eine TER von durchschnittlich rund 0,35%, was uns positiv überrascht hat.
  • Bevor du in einen Hebel-ETF investierst, solltest du dir insbesondere der Risiken bezüglich der Pfadabhängigkeit (Volatility Drag), der Renditereihenfolge und der Gegenpartei bewusst sein. Die heftigen Kursschwankungen können zudem dein Nervenkostüm arg strapazieren.

Was ist ein Hebel-ETF?

Bei Hebel-ETFs oder Leveraged-ETFs handelt es sich um synthetische Spezial-ETFs, welche oft den Strategie-ETFs zugeordnet werden. Bei der synthetischen Indexnachbildung tauscht der entsprechende ETF-Anbieter die vom Fonds gehaltenen Anlagen gegen die des Index, indem er ein Tauschgeschäft (Total Return Swap, ein Derivat) mit einer Drittpartei, z.B. eine Grossbank, abschliesst.

Hebel-ETFs bilden also wie die klassischen Pendants einen Index ab. Dessen Kursentwicklung wird jedoch um einen bestimmten Faktor verstärkt. Liegt also ein Faktor zwei, was üblich ist, zugrunde und der entsprechende nicht gehebelte Basisindex (z.B. MSCI World oder SMI) steigt an einem Tag um 2%, dann schiesst der Leveraged-ETF um 4% in die Höhe.

Das Gegenstück von (Long-) Hebel-ETFs sind sogenannte Short-ETFs, welche sich invers, d.h. umgekehrt zum Basisindex verhalten. Stellvertretend für das spärliche Angebot an Short-ETFs sei hier der Lyxor SMI Daily (-2x) Inverse UCITS ETF erwähnt, welcher die zweifach gehebelte inverse Wertentwicklung des SMI auf täglicher Basis abbildet. Das heisst, sinkt der SMI um 1%, steigt dieser ETF um 2% und umgekehrt.

Short-ETFs stehen in diesem Beitrag nicht im Fokus. Wir lehnen sie ab, weil sie hochgradig spekulativ auf Market Timing bzw. auf sinkende Kurse ausgerichtet sind und wir das damit verbundene Rendite-/ Risiko-Verhältnis als äusserst ungünstig beurteilen.

Bescheidenes Angebot an Hebel-ETFs

Die Auswahl an konventionellen ETFs ist mittlerweile riesig geworden und Anleger:innen haben die Qual der Wahl. (Lesetipp: Im Artikel «Beste ETFs Schweiz und global: And the Winner is…» haben wir über 1’500 ETFs einem strengen, mehrstufigem Auswahlverfahren unterzogen und 14 Sieger-ETFs auserkoren.)

Im Gegensatz dazu ist das Angebot an Hebel-ETFs, welche in der Schweiz zugelassen sind, noch sehr überschaubar. So werden auf dem Portal «Justetf» gerade mal fünf gehebelte Aktien-ETFs an europäischen Börsenplätzen angeboten. (Börsenplätze ausserhalb von Europa berücksichtigt erwähntes Portal nicht.)

Aber nicht nur quantitativ lässt das Angebot an Hebel-ETFs noch zu wünschen übrig. Auch qualitativ sehen wir zwei Schwachpunkte: Erstens ist kein einziges Produkt global diversifiziert. Und zweitens beurteilen wir die Fondsgrösse als zu gering – mit Ausnahme des Produkts von Amundi. (Fürs bessere Verständnis werden wir diesen Hebel-ETF später noch genauer unter die Lupe nehmen.) Positiv überrascht haben uns hingegen die jährlichen Kosten von rund 0,35% (TER), welche wir für solche Nischen-ETFs als recht moderat beurteilen. 

Hebel-ETF
Überschaubares Angebot für Schweizer Anleger:innen an börsennotierten Hebel-ETFs an der SIX und anderen europäischen Handelsplätzen (Quelle: justetf.ch / Stichtag: 26.7.2023).

Weiter fällt auf, dass trotz der geringen Fondsvolumen vier der fünf Hebel-ETFs vor über zehn Jahren lanciert worden sind. Treu dem Survivorship Bias dürfte es sich dabei also nur um die Spitze des «Hebel-ETF»-Eisberges handeln. Zahlreiche Produkte sind wohl mangels Markterfolgs laufend eingestellt und somit «unsichtbar» geworden. (Eine Fondsauflösung bedeutet übrigens nicht, dass für dich Totalverluste resultieren. Stattdessen musst du die investierten Mittel (Marktwert) einfach vom Fonds abziehen und nach geeigneten Alternativen suchen.

ETFs, die mittelfristig weniger als 100 Mio. CHF an Fondsvermögen eingesammelt haben, dürften für Fondsanbieter ein Verlustgeschäft sein. Deshalb ist bei solchen ETFs die Wahrscheinlichkeit besonders hoch, dass sie früher oder später eingestellt werden.

Mehr Auswahl an Hebel-ETFs an US-Börsen – aber teurer!

An US-Börsen haben sich die Hebel-ETFs hingegen deutlich besser etabliert. Doch sind wir auch hier auf kein einziges global diversifiziertes Produkt, welches beispielweise einen gehebelten MSCI World Index abbildet, gestossen.

Das grösste Exemplar, der UltraPro QQQ von ProShares, hat es seit seiner Lancierung im Jahr 2010 geschafft, ein beträchtliches Fondsvolumen von über 20 Mia. USD einzusammeln – trotz einer hohen Gebühr von 0,98% (TER). Dieser weltweit populärste Hebel-ETF gilt als besonders renditeträchtig und risikoreich, bildet er doch den volatilen US-Tech Index Nasdaq 100 gleich mit dem Faktor drei ab.

Dieser Übersicht des ETF-Portals VettaFi kannst du die wichtigsten Eckdaten dieses und anderer gehebelter, an US-Börsen gehandelter ETFs entnehmen. Dabei fällt auf, dass die Produktauswahl klar auf US-Firmen fokussiert, innerhalb dieser es jedoch grosse Unterschiede gibt: So setzen manche Hebel-ETFs auf Standardwerte, einige auf Small Caps und wieder andere auf einzelne Branchen wie Technologie-Aktien oder produktspezifischer wie beispielsweise die Halbleiter-Hersteller. 

Damit zeigt sich wieder einmal, dass je stärker ein ETF eine Nische abdeckt, desto attraktiver ist das Angebot an den US-Börsen im Vergleich zu den europäischen Handelsplätzen.

Wer vom breiteren Angebot an US-Börsen gehandelten ETFs profitieren möchte, benötigt eine Plattform, worüber diese Produkte auch gehandelt werden können. Gemäss unserer Erfahrung sind die beiden Broker-Pioniere Swissquote und Interactive Brokers diesbezüglich besonders stark aufgestellt (vgl. unsere Empfehlungsliste).

Bestechende Performance

Wir erwähnt wollen wir nun den Amundi Leveraged MSCI USA Daily UCITS ETF – EUR etwas genauer unter die Lupe nehmen. Denn er scheint uns bezüglich Diversifikation, Fondsgrösse und Preis der attraktivste, an europäischen Börsen gehandelte Hebel-ETF zu sein, welcher für Schweizer Anleger:innen zugelassen ist.

Gemäss dem entsprechenden Factsheet bietet der dem Hebel-ETF zugrunde liegende MSCI USA Leveraged 2x Daily Index ein zweifaches Engagement in der täglichen Entwicklung des MSCI USA Index, der rund 600 führende US-amerikanische Werte umfasst.

Zudem handelt es sich um einen synthetischen ETF, welcher die europäischen UCITS-Anlegerschutzrichtlinien erfüllt. Interessant: Mindestens 75% werden direkt in Wertpapiere investiert. Amundi bestätigt uns auf Anfrage, dass es sich hierbei um Sondervermögen handle, worauf die Anleger:innen auch im Falle eines Konkurses von Amundi zugreifen könnten bzw. welches nicht in die Konkursmasse fallen würde. 

Amundi empfiehlt ein Anlagehorizont von mindestens 5 Jahren, was uns plausibel erscheint. (Die in den sozialen Medien häufig vertretene Auffassung, Hebel-ETFs seien kurzfristige Anlagevehikel teilen wir nicht, insbesondere dann nicht, wenn der zugrundeliegende Index breit diversifiziert ist. Weshalb sollte man solche Hebel-ETFs bezüglich des Anlagehorizonts anders behandeln als ihre konventionellen bzw. ungehebelten Pendants?)

Hebel-ETF
Drei MSCI USA ETFs von Anbieter Amundi im langfristigen Vergleich, einschliesslich Dividenden und nach Kosten: Dank langanhaltendem Bullenmarkt starke Outperformance (Rendite basiert auf Heimwährung CHF) des positiv-gehebelten ETF (2x; blau) gegenüber dem inversen Short-ETF (-1x; rot) sowie dem klassischen ETF (Quelle: justetf.ch / Abrufzeitraum: 22.9.2009 – 26.7.2023).

Wie der Chart oben eindrücklich zeigt, kann ein positiv-gehebelter ETF auch über einen sehr langen Anlagehorizont von fast 14 Jahren sehr gut funktionieren und den klassischen ETF deutlich schlagen. Dies rührt daher, dass einerseits in erwähntem Betrachtungszeitraum die Aktienkurse häufiger gestiegen als gefallen sind. (Wie wir später noch sehen werden, ist bei Hebel-ETFs besonders wichtig, dass zu Beginn die Kurse mehrheitlich steigen.) Andererseits hatten die USA mit ihren bedeutenden wachstumsorientierten Tech-Titeln wie Apple & Co. gegenüber der übrigen Börsenwelt einen besonders guten Lauf. Die Perfomance-Daten sind übrigens bereits in unsere harte Heimwährung CHF umgerechnet. In EUR oder USD würden die Wertsteigerungen noch höher ausfallen!

Mehrheitlich bessere Performance des Hebel-ETF auch bei unterschiedlichen Einstiegszeitpunkten und Perioden

Nimmt man unterschiedliche Einstiegszeitpunkte und Perioden, so bestätigt sich dieses positive Bild zugunsten unseres Hebel-ETF. So performt er mehrheitlich besser als das klassische Produkt des gleichen Anbieters, und zwar selbst dann, wenn zwischendurch deutliche Börsenbaissen durchgestanden werden mussten. Einzig bei zwei kurzfristigen Crash-Szenarien, resultiert bei der Hebel-Variante eine schlechtere Performance (vgl. Tabelle).

Hebel-ETF
Performance-Vergleich (Rendite basiert auf Heimwährung CHF) einschliesslich Dividenden und nach Kosten zwischen Amundi Leveraged MSCI USA Daily UCITS ETF, Amundi MSCI USA UCITS ETF und Amundi MSCI USA UCITS ETF über unterschiedliche Perioden und Marktphasen. Grün = beste Performance; rot = schlechteste Performance (Quelle Rohdaten: Justetf).

Hände weg von Short-ETFs!

Beim Short-ETF verhält es sich genau umgekehrt: In der Regel performt er schlecht, ja katastrophal schlecht. Er ist – wie sein Name schon andeutet – viel spekulativer und fokussiert auf kurzfristige Gewinne in Bärenmärkten (vgl. Chart und Tabelle oben sowie Chart unten). Für uns kommen Short-ETFs deshalb nicht in Frage. 

Hebel-ETF
Ein seltenes Bild: Nur mit extrem glücklichem Market Timing performt der Short-ETF besser als der klassische und der Leveraged-ETF (Quelle: justetf.ch / Abrufzeitraum: 17.2.2020 – 23.3.2020 / Corona-Crash).

Renditereihenfolge bei Hebel-ETFs matchentscheidend

Kommen wir aber nochmals zurück auf die Hebel-ETFs. Wie sieht die Performance aus, wenn wir uns statt des seit der Finanzkrise super laufenden US-Marktes auf das gemächlichere Europa fokussieren? Mangels Auswahl schauen wir uns das zuvor in der Hebel-ETF Übersicht aufgeführte Produkt Lyxor EURO STOXX 50 Daily (2x) Leveraged UCITS ETF (Acc) an. Der zugrundeliegende Basisindex bildet die 50 Unternehmen mit der grössten Markkapitalisierung aus der Euro-Zone ab.

Hebel-ETF
Performance-Vergleich (Rendite basiert auf Heimwährung CHF) einschliesslich Dividenden und nach Kosten zwischen Lyxor EURO STOXX 50 Daily (2x) Leveraged UCITS ETF (Acc) und Lyxor EURO STOXX 50 (DR) UCITS ETF (Acc) über unterschiedliche Perioden und Marktphasen. Grün = bessere Performance; rot = schlechtere Performance (Quelle Rohdaten: Justetf).

Die Tabelle zeigt, dass die mehrheitliche Überperformance auch auf den EURO STOXX Hebel-ETF zutrifft, wenn auch weniger deutlich als beim ETF-Vergleich zuvor, welcher auf US-Unternehmen gemäss MSCI USA basierte.

Zudem konnten wir dank des weiter zurückliegenden Auflagedatums eine längere Periode von über 16 Jahren (statt rund 14 zuvor) betrachten, was uns zu einer interessanten Erkenntnis führt:

Liegt der Einstiegszeitpunkt kurz vor einem heftigen Börsencrash wie in der Weltfinanzkrise von 2008 kann der Hebel-ETF die Kursverluste auch langfristig nicht mehr wettmachen.

So liegt unser Leveraged-ETF nach über 16 Jahren Haltedauer per 26. Juli 2023 mit rund 44% immer noch massiv im Minus, während der klassische ETF nur noch gut 5% unter der Kursgewinnschwelle steht. Dieses Phänomen nennt sich «Volatility Drag», kombiniert mit dem Renditereihenfolgerisiko. Im nächsten Kapitel erfährst du mehr über diese Risiken. 

Welche Risiken gehe ich mit einem Hebel-ETF ein?

Keine Frage: Hebel-ETFs sind risikoreicher als konventionelle ETFs. Denn Hebel-ETFs bieten grössere Renditechancen und diese gehen bekanntlich mit mehr Risiko einher. Insbesondere die nachfolgend beschriebenen, besonders für Hebel-ETF geltenden vier Risiken solltest du beachten:

  • Risiko «Volatility Drag»
  • Renditereihenfolgerisiko
  • Gegenparteirisiko
  • Risiko «Eigenes Nervenkostüm»

Risiko «Volatility Drag»

Bei diesem Risiko geht es um schwankungsbedingte Verluste. Der Volatility Drag ist die negative Auswirkung der sogenannten Pfadabhängigkeit. Diese rühren daher, dass Hebel-ETFs täglich neu bewertet werden.

In der nachfolgenden Tabelle zeigen wir anhand eines fiktiven Beispiels, wie der Volatility Drag bei schwankenden Märkten die Rendite stetig etwas nach unten drückt. 

Pfadabhängigkeit bei Hebel-ETFs: Volatility Drag in schwankenden Märkten

TagSMI Index (Punkte)Veränderung zum Vortag SMI ETFWert Investition in SMI ETF (CHF)Veränderung zum Vortag SMI Hebel-ETF (2x)Wert Investition in Hebel-ETF SMI (2x)
010’0001’0001’000
19’800-2%980-4%960
210’0002.04%1’0004.08%999.17
39’700-3%970-6.00%939.22
410’0003.09%1’0006.19%997.31
Der Volatility Drag zieht den Hebel-ETF etwas nach unten: Obschon der Index an den Tagen 2 und 4 wieder auf seinem Ausgangsniveau von 10'000 ist, verliert der Hebel-ETF laufend etwas an Wert. Je höher und länger die Schwankungen ausfallen, desto stärker schlägt der Volatility Drag zu Buche.

Bei moderaten Schwankungen fällt der negative Effekt des Volatility Drag also kaum ins Gewicht. Anders bei heftigen Börsenturbulenzen: Fällt beispielsweise der Basisindex an einem Tag um 25% und steigt er danach wieder um 33% bis zum Ausgangswert, so bleibt der Kurs des Hebel-ETFs deutlich unter dem Ausgangswert.

Pfadabhängigkeit bei Hebel-ETFs: Volatility Drag bei Crash mit rascher Erholung

TagSMI Index (Punkte)Veränderung zum Vortag SMI ETFWert Investition in SMI ETF (CHF)Veränderung zum Vortag SMI Hebel-ETF (2x)Wert Investition in Hebel-ETF SMI (2x)
010’0001’0001’000
17’500-25%750-50%500
210’00033.33%1’00066.67%833.33
Dieses unrealistische Szenario verdeutlicht den negativen Effekt des Volatility Drag bei Hebel-ETFs auf die Kursentwicklung. Obschon der Basisindex nach dem Börsencrash wieder das Ausgangsniveau erreicht, bleibt der Hebel-ETF um rund 17% darunter.

Im extremsten (unwahrscheinlichen) Fall kann mit Hebel-ETFs sogar ein Totalverlust eintreten: Wenn nämlich der Basisindex an einem Tag um 50% fallen würde. Für den Hebel-ETF (2x) resultierte dann ein Verlust von 100%. Alle Anteile des ETF wären somit wertlos und blieben es auch nach einer darauffolgenden Börsenerholung, egal wie fulminant diese ausfiele. 

Doch der Pfadabhängigkeitseffekt bei Hebel-ETFs ist nicht per se negativ. So gibt es bei stetig steigenden oder fallenden Kursen keinen Volatility Drag. Hebel-ETFs profitieren in solchen Märkten sogar. Das heisst, bei Kurssteigerungen wird der Hebel etwas erhöht, bei Kursverlusten etwas reduziert (vgl. Tabellen unten).

Pfadabhängigkeit bei Hebel-ETFs: positive Effekte bei stetig steigenden Märkten

TagSMI Index (Punkte)Veränderung zum Vortag SMI ETFWert Investition in SMI ETF (CHF)Veränderung zum Vortag SMI Hebel-ETF (2x)Wert Investition in Hebel-ETF SMI (2x)
010’0001’0001’000
110’2002%1’0204%1’040
210’3531.5%1’0353%1’071
310’6122.5%1’0615%1’125
410’6650.5%1’0661%1’136
Bei stetig steigenden Kursen resultiert ein positiver Effekt beim Hebel-ETF. So steigt der Wert am 4 Tag im Vergleich zum Ausgangswert um 13,6% statt um 13,2% (2 x Kurssteigerung von 6,6% des Basisindex).

Pfadabhängigkeit bei Hebel-ETFs: positive Effekte bei stetig sinkenden Märkten

TagSMI Index (Punkte)Veränderung zum Vortag SMI ETFWert Investition in SMI ETF (CHF)Veränderung zum Vortag SMI Hebel-ETF (2x)Wert Investition in Hebel-ETF SMI (2x)
010’0001’0001’000
19’800-2%980-4%960
29’653-1.5%965-3%931
39’412-2.5%941-5%885
49’365-0.5%936-1%876
Sinkende Kurse sind für positiv gehebelte ETFs per se schlecht. Doch was die Pfadabhängigkeit betrifft, so resultiert ein positiver Effekt. Denn der Wert des Hebel-ETF sinkt am 4 Tag im Vergleich zum Ausgangswert «nur» um 12,4% statt um 12,8% (2x Kursverluste von 6,4% des Basisindex).

Renditereihenfolgerisiko

Dieses Risiko gibt es naturgemäss bei allen Investments, einschliesslich ETFs. Doch wie wir oben beim Renditevergleich gesehen haben, kann dieses Risiko beim Hebel-ETF besonders gravierende Folgen haben. Verantwortlich dafür ist der Leverage-Effekt. Konkret: Folgen schärfere Kurkorrekturen zu Beginn der Investition, ist es mit einem Hebel-ETF auch längerfristig kaum mehr möglich, diesen Rückstand aufzuholen.

Mit zwei einfachen Gegenmassnahmen kannst du das Renditereihenfolgerisiko wirksam abmildern:

  • gestaffelt über eine längere Periode und
  • nicht zu Höchstkursen bzw. nach Börsentauchern investieren

Der Vollständigkeit halber sei hier erwähnt, dass mit dem Renditereihenfolgerisiko für dich als Anleger:in ebenso grosse Chancen verbunden sind. Steigt nämlich zu Beginn der Investition die Börse stark an, schiessen sie beim Leveraged-ETF dank des Hebels regelrecht durch die Decke. Wie wir oben beim Renditevergleich gesehen haben, bleibt diese Überperformance gegenüber dem klassischen ETF auch nach darauffolgenden Börsenbaissen bestehen.

Gegenparteirisiko

Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei Hebel-ETFs um synthetische ETFs, welchen ein Tauschgeschäft (Swap) in Form eines Derivats zugrunde liegt. Das Gegenparteirisiko besteht darin, dass die Swap-Gegenpartei ihre Verpflichtungen aus dem Swap-Vertrag nicht mehr erfüllen kann. Dies kann zu Verlusten für den ETF und seine Anleger:innen führen. Bei unserem Muster-ETF von Amundi wird das Gegenparteirisiko durch die Wahl eines finanzstarken Swap-Partners (BPN Paribas) sowie einen hohen Anteil an realen Investitionen in Wertschriften, welche Sondervermögen darstellen, abgemildert.

Risiko «Eigenes Nervenkostüm»

Dieses Risiko besteht grundsätzlich bei allen risikobehafteten Anlagen, wozu Aktien definitiv gehören. Besonders ausgeprägt ist jedoch dieses Risiko bei gehebelten Aktienanlagen, weil bei dieser Variante, die ohnehin schon nicht geringen Kursschwankungen bei Aktieninvestments durch den Hebel noch zusätzlich verstärkt werden. 

Das heisst, du solltest dir ehrlich folgende Frage beantworten: Kann ich mit Kursverlusten von 50% oder mehr noch ruhig schlafen? Wenn du diese Frage bejahst oder noch besser, du in der Vergangenheit bereits heftige Börsencrashs cool weggesteckt hast, dann könnten Hebel-ETFs für dich eine interessante Option mit überdurchschnittlichen Renditechancen sein.

Ansonsten starte oder bleibe bei den guten alten «Brot- und Butter-ETFs», welche weniger volatil sind und dennoch langfristig eine tolle Rendite abwerfen können. 

Neben diesen vier besonders für Hebel-ETF relevanten Risiken kommen noch Risiken dazu, welche auch für klassische Aktien-ETFs gelten wie Markt- und Währungsrisiken.

In welchen Marktphasen eignet sich ein Hebel-ETF besonders?

Es liegt auf der Hand bzw. ist eine rechnerische Tatsache: Positiv gehebelte ETFs performen bei steigenden Kursen besser und bei fallenden Kursen schlechter als klassische ETFs. Leider ist es aber nun mal so, dass niemand die künftige Entwicklung an der Börse vorhersehen kann.

Die Vergangenheit zeigt jedoch, dass eine breit diversifizierte Aktienanlage langfristig steigt.

Ergänzen wir diese Erkenntnis mit dem Phänomen «Regression zur Mitte» aus der Statistik, wonach sich die Rendite bei Aktien und anderen Wertanlagen über einen längeren Zeitraum immer um den sogenannten mittleren Durchschnitt bewegt, so dürften Markphasen nach Börsencrashs besonders interessante Einstiegszeitpunkte sein. (Dies gilt übrigens auch bei den mittels Fremdkapital gehebelten Investments, wie wir hier in unserem Artikel über Lombardkredite erläutert haben.)

Im Gegensatz dazu sind Allzeithochs und insbesondere Kurse vor heftigen Börsentauchern besonders ungünstige Einstiegszeitpunkte. Wie wir oben aufgezeigt haben, lassen sich beim Hebel-ETF starke anfängliche Verluste wegen des Volatility Drag, kombiniert mit dem Renditereihenfolgerisiko, auch langfristig kaum mehr wettmachen.

Da aber auch Bärenmärkte nochmals deutlich nach unten korrigieren können, erachten wir ein gestaffeltes Vorgehen, also in mehreren Tranchen in einen Hebel-ETF investieren, als ein absolutes Muss.  

Welches sind die Vor- und Nachteile von Hebel-ETFs?

Wir wollen die Pros und Cons jeweils sowohl im Vergleich zu klassischen (ungehebelten) ETFs als auch zu Lombardkrediten bzw. zum Wertschriftenkauf auf Kredit beurteilen.

Vor- und Nachteile von Hebel-ETFs gegenüber klassischen ETFs

Massiv höhere Renditechancen durch Hebelwirkung
Herausforderung für das eigene Nervenkostüm durch hebelbedingte, heftigere Schwankungen
Schwankungsbedingte Verluste («Volatility Drag») möglich
Etwas höhere Produktkosten (TER: 0,35% vs. 0,10%)
Kompromisse bei der ETF-Wahl infolge des beschränkten Angebots

Vor- und Nachteile von Hebel-ETFs gegenüber Lombardkrediten

Günstiger, da keine Zinskosten
Kein Zwangsverkauf bei Unterdeckung («Margin Call»)
Laufende Kosten besser planbar, da Zinsänderungen keine Rolle spielen
Schwankungsbedingte Verluste («Volatility Drag») möglich
Kompromisse bei der ETF-Wahl infolge des beschränkten Angebots

Welche gehebelten Alternativen gibt es zum Hebel-ETF?

Variante 1: Lombardkredit

Im Gegensatz zum spärlichen Angebot der Hebel-ETFs stehen dir bei einem Lombardkredit grundsätzlich alle ETFs zur Verfügung. Zu beachten sind jedoch Risiken im Zusammenhang mit einer Unterdeckung («Margin Call») und mit steigenden Zinskosten. Mehr zu Lombardkrediten findest du in unserem Artikel «Lombardkredit beim ETF-Kauf: Booster für deine Eigenkapitalrendite oder Spiel mit dem Feuer?»

Variante 2: Hebel durch strukturierte Produkte

Strukturierte Produkte mit Hebelwirkung sind komplexe Finanzprodukte, mit denen auf eine Kursbewegung des zugrundeliegenden Wertes reagiert werden kann. Beliebte zugrundeliegende Werte sind einzelne Aktien, Indizes, Rohstoffe und Währungen. Strukturierte Produkte mit Hebelwirkung lehnen wir ab, weil sie unserer Meinung nach zu teuer und zu wenig transparent sind. Letzteres zeigt sich insbesondere in ihrer undurchsichtigen Konstruktion. 

Fazit zu den beiden Hebel-Alternativen

Wir ziehen den Lombardkredit aufgrund der besseren Transparenz und der Wahlfreiheit bezüglich der zu investierenden Anlage den strukturierten Hebel-Produkten vor. Hinweis: Toni hat sein Wertschriftenportfolio zum Publikationszeitpunkt dieses Artikels mittels eines Lombardkredits von Interactive Brokers gehebelt.

Unser Fazit zu Hebel-ETFs

Unser erster Eindruck von Hebel-ETFs war ebenso klar wie negativ: «Zu kleines Angebot und das Wenige, was es gibt, ist auf dem Markt nicht etabliert und/oder unzureichend diversifiziert. Hebel-ETFs nein danke!» Unsere anfängliche skeptische Haltung entsprach denn auch dem Blogger-Mainstream.

Doch als wir die Perfomance über unterschiedliche Perioden und Marktphasen genauer betrachtet haben, sind wir versöhnlicher geworden – insbesondere gegenüber diesem näher untersuchten Hebel-ETF von Amundi.

Dennoch: Hebel-ETFs eignen sich nur für nervenstarke Anleger:innen, welche einen mittel- bis langfristigen Anlagehorizont verfolgen. Denn die Schwankungen sind massiv stärker als bei klassischen ETFs.

Totalverlust unwahrscheinlich

Doch ein Totalverlust, wie wir ihn im Titel aufgeworfen haben, erachten wir bei Hebel-ETFs als äusserst unwahrscheinlich. Denn dieses Worst Case Szenario würde bei einem zweifach Leveraged-ETF erst bei einem Tagesverlust von mindestens 50% eintreten.

Aber: Ein Investment vor einer scharfen Börsenkorrektur kann die Kursverluste wegen des schwankungsbedingten Volatility Drag, kombiniert mit dem Renditereihenfolgerisiko, auch langfristig kaum mehr wettmachen. Deshalb würden wir nur gestaffelt und vorzugsweise in Bärenmärkten in einen Hebel-ETF investieren.

Traumrenditen nach Börsencrashs und bei gestaffelten Investitionen möglich

Und wie sieht es mit den im Titel erwähnten Traumrenditen von 100% und mehr pro Jahr aus? Diese sind je nach Marktphase möglich, erfordern jedoch ein perfektes Timing, was wiederum reines Glück ist.  

Doch viel interessanter für uns als überzeugte Buy and Hold-Anleger ist die neu gewonnene Erkenntnis, dass Hebel-ETFs dank Zinseszinseffekt vor allem langfristig super – wenn auch nicht mit jährlich 100% –performen können, vorausgesetzt es steht nicht gerade ein Bärenmarkt oder gar ein Börsencrash bevor.

So erzielte unser Muster-ETF langfristig über rund 14 Jahren – einschliesslich mehrere Börsentauchern – eine imposante Wertsteigerung von über 1600% – fünfmal mehr als sein konservativer Bruder, welcher auf dem Basisindex MSCI USA basiert.

Neben dem eindrücklichen Performance Track Record sind uns bei besagtem ETF die überraschend moderaten Kosten und die ansprechende Fondsgrösse positiv aufgefallen.

Schlussfazit

Wenn du nervenstark bist, über einen längeren Anlagehorizont verfügst und du nicht davon ausgehst, dass uns bald ein Börsencrash bevorsteht (Dies kann natürlich niemand mit Sicherheit vorhersehen, weshalb du unbedingt gestaffelt und vorzugsweise in Bärenmärkten investieren solltest.), könntest du die Region «Nordamerika» künftig mit dem erwähnten Hebel-ETF abdecken oder – defensiver sozusagen als Versuchsballon, um erste Erfahrungen mit Hebel-ETFs zu sammeln – ergänzen.

Wie auch immer du dich entscheidest: Vor dem Kauf eines Hebel-ETF solltest du dich über das Produkt gründlich informieren, seine spezifischen Risiken verstehen sowie die Tatsache anerkennen, dass Hebel-ETFs immer massiv stärker schwanken als klassische ETFs – sowohl nach oben als auch nach unten.   

Und was machen wir? Stefan erwägt bei nächster Gelegenheit bzw. wenn dies im Zuge des Rebalancing angezeigt ist, einen solchen «gehebelten» Versuchsballon steigen zu lassen, während Toni weiter den fremdfinanzierten Hebel mittels eines Lombardkredits bevorzugt bzw. er sein dadurch ohnehin schon sportliches Risikoexposure bis auf Weiteres nicht noch zusätzlich anheizen möchte.   

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Disclaimer

Transparenzhinweis: Zum Zeitpunkt der Publikation sind Toni und Stefan weder in Hebel-ETFs investiert, noch unterhalten wir eine Geschäftsbeziehung zu den im Beitrag erwähnten ETF-Anbietern.

Haftungsausschluss: Investieren birgt Verlustrisiken. Du musst selbst entscheiden, ob du diese Risiken tragen möchtest oder nicht.

Irrtum vorbehalten: Wir haben diesen Artikel nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben. Unser Ziel ist es, dir als Privatanleger:in möglichst objektive und aussagekräftige Informationen rund ums Thema Finanzen zu liefern. Sollten uns dennoch Fehler unterlaufen sein, sind wichtige Aspekte vergessen gegangen und/oder nicht mehr aktuell, so sind wir dir für entsprechende Hinweise dankbar.

5 Kommentare

  1. Flurin sagt:

    Super Artikel! Kurze Frage: Habe ich es also richtig verstanden, dass bei Hebel-ETFs auch im Falle einer Fondspleite in keinem Fall eine Nachschusspflicht besteht? Heisst, wenn der Fonds pleite geht, würde ich „nur“ all mein investiertes Geld verlieren, aber nicht mehr?

    1. Schweizer Finanzblog sagt:

      Nein, eine Nachschusspflicht sehen wir nicht. Denn Margin Calls (und damit verbunden eine mögliche Nachschusspflicht) wie bei Wertpapierkrediten gibt es bei Hebel-ETFs nicht.

      Wenn (sehr theoretisch) der ungehebelte Index an einem Tag um 50% fiele, würde der darauf basierende 2fach-gehebelte ETF nichts mehr Wert sein (2 x -50% = -100%). Andere Szenarien von Totalverlusten bei Hebel-ETFs können wir uns nicht vorstellen. Vgl. hierzu auch diese Textpassage: https://schweizerfinanzblog.ch/hebel-etfs-traumrenditen-sind-moeglich/#Totalverlust_unwahrscheinlich

  2. Arnaldo Urbanetti sagt:

    Hallo zusammen

    Sehr aufschlussreicher Artikel.
    Ich habe mit Hebelprodukte und CFD nicht die Besten Erfahrung insbesonders auf der Libertex Plattform gemacht. Ich konnte dort mit geringen Beträge ausprobieren aber habe letztendlich etwas an Geld verloren aber daür etwas gelernt.
    Beim Amundi ETF Leverage der mich jetzt interessiert ist für mich aber der Preis für einen Anteil von 3813 ein No Go! Gibt es einen Trader der Fraktal Traiding anbietet so dass man Bruchteile davon kaufen kann?

    1. Schweizer Finanzblog sagt:

      Ja, Interactive Brokers bietet den Handel mit Aktienbruchteilen (Fractional Trading) an. Beste Grüsse, SFB

    2. Flurin sagt:

      Amundi hat inzwischen durch einen Split die Stückpreise auf unter 20 Euro (zurzeit) gesenkt.

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